Ein Zucker-Wut Beitrag.

Wut. Dieser Artikel entstand aus reiner Wut. Wir waren auf dem Weg zum Bahnhof. Der Zug stand bereits am Bahnsteig, alles war hektisch und der Griff in das Fach am Rucksack, in dem normalerweise dieWasserflasche sitzt, ging ins Leere. Wir hatten sie vergessen.

Zucker. Er versteckt sich überall, sehr viel davon vor allem in Kinderlebensmitteln.

Also ab ins nächste Lebensmittelgeschäft. Auf dem Weg dort hin hörte ich ein „aber ich will einen Saft. Kein Wasser.“ von meiner Tochter an meiner rechten Hand. Das nächste Geschäft hatte ein ganzes Regal an mit PET Flaschen gefüllten Säften. Es musste schnell gehen. Meine Tochter hat gleich gesehen auf welcher Seite des Regals die bunten Flaschen standen, die extra für Kinder gemacht wurden. „Den da mag ich“ und ihre Hand deutete auf eine kleine blaue Flasche mit Sportverschluss. Zu sehen waren ein Apfel, eine Maracuja, eine halbe Orange und eine Banane. „Besser als Limonade“ dachte ich. Schaute auf das Preisschild: 1,15 Euro – puh. Inhalt in der Flasche: 0,33 Liter, obwohl sie auf den ersten Blick fast so groß war wie die gewohnten 0,5 Liter PET Flaschen. Macht unter dem Strich 3,45 Euro für einen Liter Getränk. Zum Vergleich: ein 0,75 Liter Apfelsaft gespritzt ohne Kinderdesign hat im gleichen Geschäft 1,30 Euro gekostet (Grundpreis: 1,73 Euro pro Liter). Tief durchatmen. Im Zug folgte dann ein Blick auf die Nährwerttabelle, der mich gleich noch einmal (sehr) tief durchatmen lies: 7,3 g Zucker auf 100 g. Bei einem Inhalt von 330 ml macht das knapp 24 g Zucker, was etwas mehr als einen gehäuften Esslöffel reinen Zucker bedeutet, in einem Getränk. Zum Vergleich: Der halb so teure Apfelsaft hatte 5,3 g Zucker/100 g also bei 330 ml Getränk wären das 17 g Zucker.

Das Problem mit dem Zucker

Eine übermäßige Zuckeraufnahme kann dem Körper von Jung und Alt schädigen. Zahnkaries ist wohl dabei eine der direktesten Konsequenzen, während das Risiko an Diabetes, Adipositas oder in weiterer Folge an koronaren Herzkrankheiten zu erkranken, längerfristige Folgen sein können. Laut Wiener Kindergesundheitsbericht von 2011 (neuere Daten sind leider nicht vorhanden) gelten 22,9 % der Mädchen bzw. 22,2 % der Knaben unter 16 Jahren als Übergewichtig. Die WHO hat im Rahmen einer europaweiten Studie rund 8000 Produkte in Budapest, Haifa, Sofia und Wien auf Zuckergehalt getestet. Das ernüchternde Ergebnis: Knapp 60 % der in Österreich vermarkteten Produkte für Kleinkinder stammen mehr als 30 % der enthaltenen Kalorien aus Zucker.

Die WHO und andere Fachgesellschaften für Ernährung sprechen sich für eine maximale Zuckerzufuhr von 25 g freien Zucker pro Tag für Kinder aus, diskutiert wird derzeit sogar eine Halbierung dieses Wertes. Unter „freien Zuckern“ versteht man alle zugesetzten Zucker sowie der Zuckergehalt in Fruchtsäften, Sirupen und Honig. Zucker aus Früchten zählt hier nicht dazu, der Zucker eines Quetschies würde allerdings den freien Zuckern zugerechnet.

Der Verein für Konsumenteninformation nimmt laufend Kinderlebensmittel unter die Lupe und testet sie auf den Nährstoffgehalt. Während für industriell hergestellte der Säuglings- oder Babynahrung strengen und rechtlich verbindlich definierten Vorschriften unterliegen, gibt es bei Kinderlebensmittel keine Grenzwerte zum Zucker- und/oder Fettgehalt. Die Lebensmittelindustrie versucht mit bunten Aufmachungen und viel Zucker die Konsumenten von morgen an große Zuckermengen zu gewöhnen. Geht es nach der Werbung, bräuchte jedes Kind die extra Portion Kalzium, im Milchriegel oder Vitamine zum Naschen im Fruchtgummi. Suggeriert wird „gesundes Naschen“ oder der „gesunde Snack mit vielen Früchten“, während man leider zu oft sehr viel Zucker um sehr viel Geld kauft.

Zucker ist gut versteckt in Lebensmitteln. Sogar in solchen, in denen wir es nicht vermuten würden. Sehr häufig ist sehr viel davon in Kindersnacks enthalten. Ein gutes Beispiel sind Früchte Riegel, die mit „für Kinder ab 1 Jahr“ beworben werden. Sie enthalten nicht selten über 50 % Zucker. Auch bei Quetschies sollte man vorsichtig sein, da der Zuckergehalt nicht selten 10% des Packungsinhalts ausmacht. Bei einer Packungsgröße von 100 g ist mit einer Mahlzeit die Hälfte des empfohlenen freien Zuckers gedeckt. Unter www.lebensmittellupe.at hat die AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) ein Onlinetool zur Verfügung gestellt um den Zucker, Fett und Salzgehalt von Produkten nachzuschlagen.

Was können wir also tun, um einerseits den Kindern Süßigkeiten nicht vorzuenthalten und andererseits ihnen einen Nachhaltigen Umgang mit Zucker beibringen? Bei Säuglingen in der Beikost gänzlich auf freie Zucker verzichten. Die Süße aus der Muttermilch bzw. der Säuglingsanfangsnahrung reicht vollkommen aus, während der Beikostphase kann auf die natürliche Süße in frischem Obst zurück gegriffen werden. Bei Snacks darauf achten, dass sie nicht süß sind. Frisch geschnittenes Obst, ungezuckerte Biskotten, Grissini oder Zwieback eignen sich gut für einen Snack. Bei Getränken ist Wasser das Mittel der Wahl, oder ungesüßte Kräutertees. Wenn es unbedingt ein Fruchtsaft für das Kind sein muss, dann stark verdünnt mit Wasser anbieten und beim Kauf darauf achten, dass sie keinen Zucker zugesetzt haben. Bei allen Lebensmitteln findet ihr eine Nährwerttabelle, die Energie-, Fett-, Eiweiß-, Salz- und Kohlenhydratgehalt auf 100 g Lebensmittel angibt. Bei den Kohlenhydraten findet ihr einen Unterpunkt, der „davon Zucker“ heißt. Hier könnt ihr dann ablesen wieviel g Zucker auf 100 g Lebensmittel enthalten ist. Manche Hersteller geben zusätzlich an, wieviele Nährstoffe sich in 1 Portion befinden. Aber Achtung: die Portionsgrößen sind oft so klein berechnet, dass dies nicht der Realität entspricht!

Naschen gehört trotz achtsamem Zuckerkonsum zur Kindheit. Bei uns hat lange eine Süßigkeit pro Tag gut funktioniert, je älter meine Tochter geworden ist, desto mehr ist aus der Kleinigkeit eine Großigkeit geworden und naschen wurde für sie sehr wichtig. Das ging so weit, dass sie kaum mehr nahrhaftes Essen zu sich nahm, weil sie wusste, dass es nach dem Mittagessen eine Kleinigkeit Süßes gab. Gelöst haben wir das Problem mit einer wöchentlichen Naschlade. Sie bekommt einmal pro Woche ihren kleinen Stoffbeutel mit Süßigkeiten ihrer Wahl gefüllt. Das ist jede Woche ein absolutes Highlight, wenn sie sich aus der großen Süßigkeiten-Lade ihre Wochenration zusammenstellen darf. Die Regeln sind einfach: Es gibt einmal in der Woche eine Auffüllung, dafür darf sie sich alleine einteilen wann sie was isst. Ich verbiete ihr zu keiner Tageszeit – außer nach dem Zähneputzen am Abend – etwas Süßes zu essen und sie muss nur damit bis zum nächsten Auffülltag auskommen. Zugegeben: Diese Methode bedingt eine gewisse Reife der Kinder und ohne unseren Wochenkalender und Begleitung in den ersten 2 Wochen hätte das bei uns nicht geklappt. Seit sie das System verstanden hat, ist das Naschen ein absolut stressfreies Thema geworden. Manchmal vergisst sie sogar selber drauf. In einem der nächsten Postings erzähle ich euch mehr über unsere wöchentliche Naschlade.

Achtet ihr auf die Zuckeraufnahme eurer Kinder? Was sind eure Erfahrungen? Ich würd mich sehr über eure Kommentare freuen.

Alles Liebe,

Tanja

Quellen:

Ernst JB, Arens-Azevêdo U, Bitzer B, Bosy-Westphal A, de Zwaan M,
Egert S, Fritsche A, Gerlach S, Hauner H, Heseker H, Koletzko B, Müller-Wieland D, Schulze M, Virmani K, Watzl B, Buyken AE for the German Obesity Society (DAG), German Diabetes Society (DDG) und German
Nutrition Society (DGE) (2019) Quantitative recommendation on sugar
intake in Germany. Short version of the consensus paper by the German
Obesity Society (DAG), German Diabetes Society (DDG) and German Nutrition Society (DGE). Ernahrungs Umschau 66(2): 26–34
DOI: 10.4455/eu.2019.006
Kindergesundheitsbericht: Stadt Wien (Hrsg.), Wiener Kindergesundheitsbericht 2011.
https://konsument.at/essen-trinken/kinderlebensmittel
https://www.ages.at/mensch/ernaehrung-lebensmittel/ernaehrungsempfehlungen/who-zucker-empfehlungen#:~:text=Im%201.,langfristiges%20gesundheitspolitisches%20Ziel%20f%C3%BCr%20sinnvoll.

Foto von Nataliya Vaitkevich: https://www.pexels.com/de-de/foto/hande-palme-stillleben-zuckerwurfel-6940855/

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